Manuela und Gerd

Eine Liebe die es zu Ostzeiten nie gegeben hätte

 


Eine Liebe die es zu Ostzeiten nie gegeben hätte

Er war politischer Häftling der Stasi wegen staatsfeindlicher Hetze und versuchter Republikflucht und sie war eine zivile Staatsbedienstete bei der Kriminalpolizei in Ost-Berlin, die mit 18 Jahren aus Überzeugung in die SED eingetreten ist.

Gerd Keil, ist 1963 und Manuela Keil 1960 geboren. Beide sind im damaligen Ost-Berlin in sehr linientreuen Elternhäusern aufgewachsen.

Gerd Keil stellte jedoch unbequeme Fragen und suchte nach Antworten, die er in seinem Elternhaus nicht fand. So kam er mit Jugendgruppen über die Kirche in Kontakt und unterstützte 1986 Freunde bei ihrer Flucht in den Westen. Kurz darauf verhaftete ihn die Staatssicherheit auf offener Straße wegen „Staatsfeindlicher Hetze“ und „Vorbereitung zur Republik-Flucht“.

Es folgten sieben Monate mit Verhören, Isolationshaft, psychischer Folter im Stasi-Knast von Berlin-Hohenschönhausen. Gerd Keil weigerte sich beharrlich, ein Geständnis zu unterschreiben, dennoch wurde er verurteilt und schließlich in den „normalen“ Vollzug nach Cottbus verlegt. In Cottbus und Schwarze Pumpe saß er weitere Jahre unschuldig im Gefängnis. Im April 1989 hat er das Glück, von der Bundesrepublik freigekauft zu werden.

Er kam nach Hamburg, fand Arbeit im Hamburger Hafen und war froh und dankbar, im Westen und frei zu sein. Als Gerd Keil seine Ehefrau kennenlernte und er ihrem Wunsch nachgab, zurück nach Berlin zu ziehen, holten ihn die Schatten seiner Stasi-Knast-Vergangenheit wieder ein. Zunehmend litt er unter Albträumen, Angstzuständen und Panikattacken. Die Ehe, aus der zwei Kinder stammen, scheiterte 2006.

Nach einem Selbstmordversuch begann Gerd Keil eine Psychotherapie und der Wendepunkt kam 2007, als er Karin, seine ehemalige Lebensgefährtin, kennenlernte. Karin unterstützte ihn bei der Aufarbeitung der Traumata seiner Vergangenheit. Langsam begannen die seelischen Wunden zu heilen. Aber auch diese Beziehung scheiterte. Rückblickend muss er einsehen benutzt worden zu sein und so rissen viele der gerade heilenden Wunden wieder auf.

Teil dieses Prozesses ist auch das Buch, das Gerd Keil 2014 in der zweiten Auflage veröffentlicht. In seiner Autobiografie „Verraten, verhaftet und verkauft“ schreibt er sich von der Seele, was ihn seit seiner Zeit im Gefängnis quält. Er schafft ein Zeitdokument gegen das Vergessen, das ohne Vergeltungssucht und ohne Hass auskommt.


Manuela Keil hingegen wurde bereits mit knapp 2 Jahren bis zu ihrem Schuleintritt mit fast 7 Jahren in ein Kinderwochenheim gesteckt, wo sie durchgehend von Montag bis Freitag im sozialistischen Sinne erzogen wurde. Hier lernte sie die Normen der sozialistischen Persönlichkeit kennen und sie musste sich anpassen, um in der Gemeinschaft bestehen zu können. Gehorsam, Befehlston und ein streng organisierter Alltag, ohne die tägliche Wärme und Nähe der Eltern, wuchs sie zwar in einer Gemeinschaft auf und fühlte sich dennoch immer sehr einsam. Ihre Eltern waren beide Staatsbedienstete und auch in der Familie galt es, strengen Regeln Folge zu leisten. Widerspruch wurde nicht geduldet und Eltern, Lehrer und Erzieher hätten immer Recht. Sie verlernte es schließlich, Fragen zu stellen.

Obwohl sie Kindererzieherin werden wollte, folgte sie den Wünschen ihrer Eltern und wechselte in den Staatsdienst der DDR und wurde Zivilbeschäftigte der Kriminalpolizei.

2011 begann sie eine Psychotherapie und mit ihr die Reflektion ihres Lebens. Im Kampf gegen das Vergessen und die Verklärung der SED-Diktatur lernte sie Gerd Keil über seine Autobiografie kennen. Sie war fassungslos und konnte es nicht glauben. So besuchte sie die Haftanstalt, von der er in seinem Buch schrieb und war erschüttert. Tiefe Scham über die eigene Blindheit, verordnete sie sich eine Rosskur und wollte immer mehr darüber wissen, was im Namen der Partei, der sie aus Überzeugung bereits mit 18 Jahren beigetreten war, alles in dieser Diktatur geschehen ist.

Sie suchte den Kontakt zu Gerd Keil, um seine Erfahrungen für ihre Aufarbeitung zu nutzen und bekam endlich auch Antworten, die sie in ihrem eigenen Umfeld bis heute nicht bekam. So lernten sich beide am 08. November 2014 persönlich kennen und es entstand eine Liebesbeziehung, die es zu Ostzeiten nie gegeben hätte.

Heute leben beide glücklich zusammen im Landkreis Celle und arbeiten gemeinsam mit ihren Büchern „Wertvolle Freiheit“ und „Vom Nebel ins Licht“ gegen das Vergessen und Verklären der Diktatur in der DDR.

Da wir beide ehrenamtliche Arbeit für wichtig halten, sind wir mit dabei. Anderen zur Seite stehen, unsere Zeit und ein offenes Ohr schenken, erfüllt auch uns.

Manuela und Gerd sind ausgebildete Seniorenbegleiter. Vermittelt werden wir durch den Senioren- und Pflegestützpunkt Niedersachsen in Celle.

Gerd ist im seelsorgerlichen Bereich für Menschen in akuten Krisensituationen tätig. Dafür hat er eine entsprechende Ausbildung absolviert.

Weitere Informationen über beide Autoren finden Sie auf der Homepage von  

Manuela Keil und Gerd Keil

 

 

Die Fotos 32 bis 36 und 57 bis 70 sind von Valerie Misz (arbeitet bei der KAS Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.) gemacht worden und wir dürfen diese hier veröffentlichen. Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nirgends sonst - ohne schriftliches Einverständnis - verwendet werden.